Wie ein Traum – Nachtmusik von Alfred Huber

Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Schmidt

Bregenz Viele Geschichten und Filme verbinden die Nacht mit unheimlichen Erscheinungen: geheinmisvollen Geräuschen, dunklen Gestalten, albtraumhaften Gespenstern. Da verwundert es nicht, wenn heute eine Nachtmusik weniger als heitere Serenade aufgefasst wird, wie noch zu Mozarts Zeiten, sondern vielmehr als ein Medium, um komplexere Seelenzustände zu verarbeiten, auch Ängste.

„Meine Kompositionen haben sehr mit Angst zu tun“, verrät jedenfalls Dr. Alfred Huber, Neurochirurg und Komponist aus Kempten, vor der Uraufführung seiner eigenen „Nachtmusik“ bei einem Kammerkonzert des Ensembles Plus im Alten Landtagssaal in Bregenz. Ansonsten hüllt er sich in Schweigen, was das neue Werk anbelangt, das „vier Traumzustände“ beschreibe und das in dreijähriger Arbeit entstand. Er möchte lieber die Musik sprechen lassen. Und die spricht in der Interpretation durch das Vorarlberger Ensemble Plus und die Sopranistin Gerlinde Illich eine sehr kraftvolle Sprache.

Eine Sequenz wilder Erregung eröffnet das Werk, kehrt an zentralen Stellen wieder und bildet quasi eine motivische Klammer. Dazwischen entfaltet sich eine ganze Palette suggestiver Klangbilder, die mit Vertrautem spielen, es aber doch in einen unvertrauten, ja letztlich rätselhaft bleibenden Zusammenhang stellen. So verarbeitet Huber Anregungen aus Klassik und Moderne, Jazz und Folk zu einer Musiksprache, die Vorbilder quasi psychologisch nutzt, sie verfremdet und zu traumähnlichen Sequenzen zusammensetzt. Die Deutung bleibt dem Hörer überlassen. Hilfestellung bieten lediglich zwei ebenfalls kunstvoll verschlüsselte Liebesgedichte aus der Feder Pablo Nerudas, um die die Musik kreist.

Schon die Besetzung des Werkes spielt mit Vertrautem und präsentiert doch Ungewöhnliches: Es verlangt Streichquintett und Sopran. Das Streichquintett ist dabei ein um den Kontrabass ergänztes Streichquartett, es wartet also nicht wie bei den großen Vorbildern der Gattung von Mozart, Schubert oder Brahms mit verdoppelten Violen oder Celli auf. Auch formal geht es ungewohnte Wege: Es fügt zwei Lieder durch eine großangelegte instrumentale Klammer zu einem einzigen Satz zusammen. Bei Arnold Schönberg, der in seinem Opus 10 eine Sopranstimme mit einem Streichquartett kombinierte, wies die Verquickung von Lied und Kammermusik noch nicht solche Symmetrie auf.

Hubers Musik bleibt stets der Emotion verpflichtet, zielt direkt aufs Gemüt, will mitreißen und nicht ein rein intellektuelles Vergnügen bieten. Damit fügt sie sich vortrefflich in den Rahmen des Konzertes. Das bietet noch ein Werk der französischen Romantik, ein qualitätvolles Septett von Adolphe Blance und einen erstaunlichen Liederzyklus des Alexander von Zemlinsky Schülers Karl Weigl. Letzterer schildert die Nacht als Raum für einsame Träumer. Diesem idealisierten Idyll stellt Hubers“Nachtmusik“ quasi die komplexe Realität gegenüber: Träume können sanft, aber auch erschreckend sein.

– Klaus Schmidt

Lebt seit 1996 im Allgäu.

1999 Richard Wagner Preis Vorarlberg

Kompositionen für diverse Besetzungen, vom Soloinstrument bis zum Symphonieorchester.

Aufführungen im In-und Ausland (Kuhmo Chamber Festival, Enoarmonie Cividale, Slowind Lubljana, Suoni riflessi Florenz, Europäische Wochen Passau, Wiener Musikvereinssaal)

Zusammenarbeit mit Künstlern wie Andrea Rucli (Klavier),  Dan Zhu (Violine), Vladimir Mendelssohn (Viola), Othmar Müller (Violoncello), Katharina Gross (Violoncello), Niek de Groot (Kontrabass),  Catherine Dubosc (Sopran), Artis Quartett Wien, Enesco Quartett Paris, Slowind Lubljana, Ensemble Nuovo contrapunto Florenz, Capella Istropolitana, Wiener Concertverein unter James Judd, Alisja Mounk, Philippe Entremont, Lorenzo Viotti und Christoph Campestrini

Diverse Ausstrahlungen im Radio ORF, RAI, Bayern 4 Klassik, WDR, SWR 2

Gründungsmitglied des Internationalen Konzertvereins Bodensee,

Initiator der Zeitklänge e.V. Kempten, seit 2002 Veranstaltung einer eigenen Kammermusikreihe in Wengen/Allgäu.

Gründungsmitglied und erster Vorsitzender der Zeitklänge e.V. Kempten.

Das Festival „Emotion and Meaning in Music“/Kempten im Rahmen der Zeitklänge wird 2009 vom Bayerischen Kulturfonds gefördert.

Composer in residence der Europäischen Wochen Passau 2012

Composer in residence 2014-2015 des Wiener Concertvereins.

Composer in residence Wörthersee Classics 2014

Nominierung der CD „Duos for Violin and Double Bass“ für den ICMA (international classical music awards) 2019

Jurymitglied des Stefanie Hohl Wettbewerbs MDW Wien 2024